"Der KAV plant offenbar mehr als 10 Prozent der Ärzte (382 Dienstposten) zu streichen. Zusätzlich zur Ärztearbeitszeitverkürzung von 15 Prozent.“
Mit dieser Meldung ließ der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer aufhorchen. Der Experte hatte auf seiner Facebook-Seite ein internes KAV-Dokument veröffentlicht (es liegt der „Presse“ vor), in dem wörtlich steht : „Bis Ende März 2015 soll ein abgestimmter Dienstpostenplan (…) vorliegen.“ Dann kommt der entscheidende Nachsatz: „Die Vereinbarung beinhaltet das Ziel, dass (…) 382 Dienstposten reduziert werden (Realisierung bis 2018)“.
„Zu viele Ärzte in der Nacht“
Was das bedeutet? Die Zahl der Ärzte in den Wiener Gemeindespitälern wird um etwa zehn Prozent reduziert – bis zum Jahr 2018. Auf „Presse“-Anfrage wird das seitens des KAV offiziell bestätigt: „Die Reduktion der Dienstposten ist Teil der Vereinbarung zur Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie, die mit der Gewerkschaft und der Ärztekammer vereinbart wurde.“Um die Personalreduktion zu erreichen, „wird kein einziger Arzt gekündigt – die Qualität in der medizinischen Betreuung bleibt in vollem Umfang erhalten“, wurde im KAV beteuert. Vielmehr würden Abgänge (z. B. durch Pensionierungen, Kündigungen) nicht mehr nachbesetzt. Auch würden befristete Verträge nicht mehr verlängert sowie die Zahl der Turnusärzte reduziert. Laut KAV reagiere man mit dieser Maßnahme auch auf eine Rechnungshof-Kritik, wonach in KAV-Spitälern zu viele Ärzte in der Nacht im Einsatz seien – was die Kosten nach oben treibt.Der Hintergrund der Personalreduktion: Die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit der Ärzte muss bis Mitte 2021 (laut einer EU-Vorgabe) auf maximal 48 Stunden beschränkt werden. Bereits ab heuer dürfen Ärzte im Krankenhaus nur mehr dann länger als 48 Stunden Dienst versehen, wenn sie schriftlich ihr Einverständnis dazu erklären. Durch kürzere Arbeitszeiten verlieren die Ärzte viel Geld. Das wird vom KAV kompensiert, der die Grundgehälter aufstockt. Im Gegenzug kann der KAV die neuen, flexibleren Arbeitszeiten nutzen, um die (gut bezahlte) Nachtdienste um ein Drittel zu reduzieren.
Ein Beispiel: Bisher begann der Nachtdienst eines Arztes um 13 (!) Uhr. Um den Bedarf am Nachmittag zu decken, mussten viele Spitalsärzte eingesetzt werden. Damit saßen zwangsweise alle Ärzte, die den Ansturm am Nachmittag bewältigten, automatisch (bis zum Morgen) im Nachtdienst. Wiens Spitäler waren damit in der (deutlich ruhigeren) Nacht überbesetzt. Wie viel sich der KAV nun spart, konnte am Montag nicht beantwortet werden. Dieser Betrag sei bereits bei den Gesamtkosten enthalten, hieß es. Die betragen in Wien jährlich rund 20 Mio. Euro.
Platzt die Einigung?
Dass das Rechenbeispiel in der Praxis funktioniert, wird von der Ärztekammer angezweifelt. Zum jetzigen Zeitpunkt Personal zu reduzieren, sei „völlig absurd“, sagt der Wolfgang Weismüller, Vorsitzender des Personalgruppenausschuss. Halte der KAV an seinem Plan fest, könnte sogar die Einigung über die Arbeitszeitregelung platzen. Die Reduktion der Nachtdienste sei ja nur unter gewissen Rahmenbedingungen möglich – etwa wenn medizinisch nicht notwendige Rettungszufahrten reduziert würden oder der Patientenstrom über zentrale Notfallaufnahmen gesteuert würde. Die schrittweise Kürzung des Personals sei dagegen nicht einmal Gegenstand der Verhandlungen gewesen, erklärt Weismüller. Man werde sich jedenfalls „mit alle zu Gebote stehenden Mitteln wehren“.
Kommentare
ALLE Zeichen gehen in die Richtung dass wir de facto zu einem KAV Spital umgemodelt werden. Die Gemeinde Wien pfeift (nicht nur) finanziell aus dem letzten Loch, wenn es ein Konzept im Gesundheitswesen gibt, dann heißt das: zerstören wir die universitäre Medizin.
Und das sg. Projekt "Universitätsmedizin 2020" geht auch genau in diese zerstörerische Richtung. Die herbeigeträumte und versprochene Steuerung der Patientenströme findet tatsächlich statt - aber in die umgekehrte Richtung...
Get real!
Drei Viertel meiner Diplomandinnen gehen ins Ausland, nur diejenigen, die bereits eine eigene Familie haben bleiben. Selbst der bislang einzige, der wegen seiner Großeltern, Eltern und Geschwister geblieben ist und seine Fachausbildung beinahe abgeschlossen hat, wird nicht beim KAV bleiben, selbst für viel Geld nicht, wie er meinte.
Eine Rückfrage bei einigen AbsolventInnen, die in Deutschland u.a bei den Helioskliniken arbeiten, ergab Folgendes: Im ersten Jahr als AssistenzärztInnen verdienen sie etwa so viel wie Ass. Profs. an der MedUni Wien, dabei handelt es sich um das Basisgehalt für 40 Stunden/ Woche, hinzu kommen Abgeltungen für Bereitschafts- und Nachtdienste. Die 40 Stunden werden kaum überschritten, wenn, dann müssen sie als Zeitausgleich genommen werden. Überstundenzahlungen fallen selten an, denn diese sind für den Dienstgeber recht teuer und werden daher vermieden. Allerdings reicht das Grundgehalt ohnehin und eine 40 Stundenwoche hat denn doch auch Auswirkungen auf die Lebensqualität. Etwa ab dem dritten Ausbildungsjahr erhalten sie so viel Grundgehalt wie bei uns assoz. Profs., man kann sich vorstellen, wie es dann gegen Ende der sechsjährigen Ausbildungszeit aussieht. Weitere „Zuckerl“ sind ca. 500 – 1000.-- € pro Jahr garantierte Übernahme von Kosten für Fortbildungen oder Tagungsteilnahmen (mit zusätzlichen Urlaubstagen), die die ÄrztInnen in der Regel selbst wählen können. Falls die Fortbildung im besonderen Interesse der Klinik ist, kann dies auch durchaus mehr werden. Hinzu kommen hauseigene Fortbildungen, die kostenlos sind, auch eine umfassende Bibliothek, die in Berlin physisch existiert und die den Online - Zugriff auf verschiedene Journale ermöglicht, steht kostenlos zur Verfügung.
Grundsätzlich haben MitarbeiterInnen die Möglichkeit sich im Krankheitsfall in den Kliniken von ChefärztInnen behandeln zu lassen und auf Sonderklasse zu liegen, ohne eine Zusatzversicherung abschließen zu müssen – ob man sich beim Dienstgeber ins Krankenhaus legen möchte ist natürlich die Frage, aber auch wir gehen ja gelegentlich zu Behandlungen ins AKH.
Betriebskindergärten, oft auch mit 24 Stundenbetrieb sind ohnehin eine Selbstverständlichkeit, ebenso wie Teilzeitarbeit.
Dass man besonders als JungärztIn ordentlich „drankommt“ ist klar, aber das ist in Österreich auch nicht anders.
Nachwuchspflege wird sehr ernst genommen, diese beginnt bereits während des Studiums bei Krankenpflegepraktika und Famulaturen, sowie beim Praktischen Jahr – so kann man zukünftige ÄrztInnen kennenlernen und sie ggf. ans Haus binden.
Apropos - Praktisches Jahr, dieses wird in Deutschland bezahlt, meist gibt es auch Essen und Wohnung dazu.
Und abschließend – warum berichtet mir eine Diplomandin, die wegen der Groteske um die Einführung des Praktischen Jahres an der MedUni alle Praktika in der Schweiz absolvieren musste, von einem „Kulturschock“ weil sie für ihre Arbeit auch mal ein „Dankeschön“ bekommen hat? Abgesehen davon, dass sie "zum Team gehörte"? Und dass sie aufgrund ihrere Erfahrungen sicher nicht nach Österreich zurückkommen wird? Warum höre ich immer wieder von ganz schlechten Betriebskulturen (bekanntlich nicht nur im AKH), die junge KollegInnen veranlassen, das Weite zu suchen?
Geld allein macht nicht glücklich, wie wir wissen, es geht auch um andere Angebote. Es gibt seitens der Dienstgeber einen Wettbewerb um Ärzte, allerdings punktet man dabei nicht nur mit besserem Gehalt, mittlerweile müssen auch andere Aspekte „stimmen“. Offenbar ist auch bei ÄrztInnen angekommen, dass so etwas wie „work – life balance“ kein Luxus ist, sondern durchaus auch die Arbeitsleistung und die PatientInnenzufriedenheit verbessert. Soweit ich sehen kann hat dies in Österreich bislang noch keine Relevanz. Insofern sei den hiesigen Dienstgebern geraten – get real, es gibt ganz einfache Spielregeln der Marktwirtschaft – gut ausgebildete, gescheite Leute gehen dort zum Arbeiten hin, wo es auch gute Rahmenbedingungen gibt, das Gehalt ist hierbei wesentlich, aber auch anderes muss stimmen. Selbstausbeutung gehört nicht mehr zum ärztlichen Ethos, auch wenn die meisten von uns gerne anderen Menschen in ihren Nöten helfen.
Selbstverständlich ist "im Ausland" nicht alles rosig oder grundsätzlich viel besser, aber irgendetwas muss dran sein, irgendetwas machen sie besser, sonst würden unsere AbsolventInnen nicht weggehen. Der erste Platz auf der Liste der Städte mit der besten Lebensqualität reicht offenbar nicht.