Nun ist der zweite Termin für die im Vorfeld turbulente und umstrittene Wahl eines neuen Rektors für die Medizinische Universität Wien amtlich – und ein weiterer Verfahrensfehler dürfte sich dazugesellen: Der Vorsitzende des Universitätsrats, Erhard Busek, veröffentlichte am Freitag im Mitteilungsblatt der Med-Uni Wien den 26. Mai als Wahltermin. Im STANDARD hatte er vor einer Woche bereits angekündigt, dass bei der nächsten regulären Sitzung des fünfköpfigen Unirats ein zweiter Anlauf zur Rektorskür genommen werden soll. Der erste Termin am 28. April wurde trotz Beschlussfähigkeit abgesagt, ein Mitglied war krank, und man wolle als "vollständige Gruppe" wählen, hieß es damals. Im Vorfeld gab es Debatten um mehrere Verfahrensfehler.
Nun gibt es rund um die entgegen der Wahlordnung freihändig von Senat und Unirat aufgestockte Zahl der Kandidatinnen (es hatte sich nur eine Frau, Vizerektorin Karin Gutierrez-Lobos, beworben) und der Kandidaten (15 Männer wollten den Posten haben), die man zum Hearing einladen wollte, massive juristische Einwände. In der veröffentlichten Wahlordnung ist die Rede von "bis zu acht" Kandidatinnen und Kandidaten, am Ende waren es dann zehn.
In einer ersten Stellungnahme am Tag nach der am 28. April überraschend abgesagten Wahl sagte Verfassungsjurist Heinz Mayer dazu im STANDARD-Gespräch, dass dieseAus-acht-mach-zehn-Aktion eindeutig rechtswidrig sei, wenngleich "vermutlich ohne Einfluss auf das Ergebnis des Hearings".

Eine Aufstockung mit großer Wirkung

Allerdings gibt es in der Zwischenzeit neue Informationen, wonach diese Aktion doch von großer Tragweite war. Denn der Dreiervorschlag, aus dem der Unirat auswählen kann, hätte ohne die Aufstockung um zwei Kandidaten ganz anders ausgesehen. Harald Schmidt, Leiter des Instituts für Klinische Pharmakologie der Uni Maastricht, wäre dann nämlich gar nicht unter den letzten drei gewesen, aus denen jetzt der neue Med-Uni-Chef gekürt werden soll. Neben ihm sind noch Vizerektor Markus Müller, der die Uniklinik für Klinische Pharmakologie an der Med-Uni Wien leitet, und der Vorstand der Uniklinik für Neurologie an der Med-Uni Wien, Eduard Auff, auf der Liste.

"Minister muss Wahl aufheben"

"Das ist dann sicher ein relevanter Fehler", sagte Mayer am Freitag auf STANDARD-Anfrage – mit der Konsequenz, "dass die Aufsichtsbehörde die Wahl unter diesen Voraussetzungen aufheben muss". Denn Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) als Aufsichtsbehörde muss eine rechtswidrige Entscheidung dann aufheben, "wenn das Organ bei deren Einhaltung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können", steht in Paragraf 45 Absatz 3 des Universitätsgesetzes. Und bei acht statt zehn Kandidaten wäre einer der drei nun auf der Liste Stehenden eben gar nicht auf dieser Liste gelandet.
Dem STANDARD liegt die interne Auslotung des Stimmungsbilds in Senat und Unirat vor Erstellung der Hearingsliste vor, und aus der ist ersichtlich, dass Auff 14 Stimmen vom Senat bekam, der Unirat ihn aber nicht hören wollte, Müller wollten 16 Mitglieder des Senats beim Hearing sehen, das wollte auch der Unirat. Für den am Ende dann auch in den Dreiervorschlag aufgenommenen Schmidt jedoch sprachen sich in dieser Vorabrunde nur drei Senatsmitglieder aus, er wurde aber vom Unirat befürwortet. Mit drei Senatsstimmen war Schmidt also weit abgeschlagen, zumal andere Kandidaten sowohl die Zustimmung des Unirats als auch hohe Zustimmungsraten aus dem Senat hatten und demnach vor ihm rangierten, darunter auch Vizerektorin Gutierrez-Lobos, die 17 Senatsmitglieder und der Unirat befürworteten.

Genau vier Wochen oder vier Tage zu spät?

Nicht so eindeutig wie die rechtswidrige Hearinggestaltung ist hingegen die Frage, ob der neue Wahltermin den rechtlichen Vorschriften entspricht oder nicht. Das Unigesetz sieht in Paragraf 2 unter Punkt 4 als eine Aufgaben des Universitätsrats vor: "Wahl der Rektorin oder des Rektors aus dem Dreiervorschlag des Senats innerhalb von vier Wochen ab Vorlage des Vorschlags."

Der Senat hat den Dreiervorschlag für den Unirat am Freitag (24. April) öffentlich bekanntgegeben. Grünen-Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer rechnet ab diesem Termin und ist daher der Meinung, dass die nun am 26. Mai angesetzte Rektorswahl vier Tage nach Ablauf der vierwöchigen Frist, die auch in der Wahlordnung so verankert ist, stattfindet – also vier Tage zu spät und damit rechtswidrig, wie sie in einer parlamentarischen Anfrage an Wissenschaftsminister Mitterlehner erläutert.

Uniratsvorsitzender Busek wiederum sagte von Anfang an zum STANDARD: "Wir rechnen vom Termin der Zustimmung der Gleichbehandlungskommission." Der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen, der eine Woche Zeit gehabt hätte für einen etwaigen Einspruch, tagte bereits am Montag (27. April) und legte keine Beschwerde ein. Da allerdings geht es um juristische Exaktheit, betont Heinz Mayer: Damit Dienstag, 26. Mai ein korrekter Wahltag ist, muss der Senat den Vorschlag mit dem Sanktus des Gleichbehandlungsarbeitskreises am Dienstag (28. April) an den Unirat übermittelt haben, wäre dies am Montag (da hat der Arbeitskreis getagt) geschehen, wäre die Frist um einen Tag überzogen.

Parlamentarische Anfrage der Grünen

Grünen-Wissenschaftssprecherin Maurer jedenfalls urgiert in ihrer Anfrage in insgesamt 21 Fragen rund um die Rektorswahl an der Med-Uni Wien und die dabei aufgetauchten "Unregelmäßigkeiten" von Mitterlehner Aufklärung: "Es ist mir unerklärlich, weshalb der Minister seiner Aufsichtspflicht trotz offenkundiger Rechtsbrüche nicht nachkommt. Will er etwa seinen Parteifreund Busek schützen?", sagt sie im STANDARD-Gespräch. Als Aufsichtsbehörde habe Mitterlehner "die Verpflichtung einzuschreiten, sobald Sie Kenntnis über rechtswidrige Vorgänge erlangen", heißt es in der Anfrage.

Wie der STANDARD berichtete, wurde die Wahlordnung nicht nur bei der Einladungspraxis für das Hearing gebrochen, auch die Ausschreibung war laut Verfassungsjurist Mayer rechtswidrig, weil sie nicht wie rechtlich gefordert im Mitteilungsblatt der Med-Uni Wien stattfand. Maurer will dazu in der Anfrage wissen, aus welchem Grund nicht im Mitteilungsblatt veröffentlicht wurde, und "mit welcher Begründung rechtfertigen Sie ihr Nichteinschreiten als Aufsichtsbehörde trotz offensichtlicher Rechtswidrigkeit?". Die Med-Uni Wien hatte dazu auf STANDARD-Anfrage erklärt, es sei ja neben diversen nationalen und internationalen Medien auch in einer "Sonderform" des Mitteilungsblatts, den "Personalmitteilungsblättern", veröffentlicht worden.

Wunschlisten und Verfahrensfehler

Maurer will auch folgende Auskunft: "Auf welche Weise und durch welche konkreten Personen kam die Liste zustande, welche Kandidat_innen zum Hearing eingeladen werden?" und welche Rolle dabei "Wunschlisten der Senats- und Uniratsmitglieder" spielten.

Frage 21 in der grünen Anfrage an Mitterlehner lautet dann: "Werden Sie, nachdem Ihnen nun auch mittels dieser parlamentarischen Anfrage zahlreiche Verfahrensfehler zur Kenntnis gebracht wurden, ein behördliches Aufsichtsverfahren gemäß Paragraf 45 UG 2002 einleiten?", ergänzt um die Subfrage "a) Wenn nein, warum nicht?".

Originalbeitrag in: Der Standard

ANMERKUNG: Zu diesem Artikel gibt es einen eigenen Blog-Eintrag; allfällige Postings bitte dort!