In einer außerordentlichen Senatsitzung wurde am 10. November eine umfangreiche Stellungnahme zum vorliegenden Entwurf des Entwicklungsplans beschlossen.
Wir geben den narrativen Teil dieser Stellungnahme nachstehend wieder, es gelang hier, wesentliche AMM-Themen und -Konzepte zu inkludieren: Im Bereich der Wissenschaft die bestehende Gehaltsproblematik Klinik vs. nicht-Klinik, die Forderung nach der Schaffung von Incentives für erfolgreiche Drittmitteleinwerbungen sowie die Forderung nach einem qualitativ wie auch quantitativ befriedigenden Zugang zu Professuren nach §99 UG.
Die Stellungnahme im Bereich der Lehre enthält eine beeindruckend komplette Auflistung der bestehenden Probleme und dringend anzugehenden Aufgaben, von der Forderung nach Remuneration der Lehrtätigkeit über das Prüfungswesen bis hin zu den Evaluationen.


Der Senat der Medizinischen Universität Wien begrüßt die Möglichkeit, in den Klausuren des Frühjahrs 2017 sowie in dem mehrmonatigen Diskussionsprozess seit Sommer 2017 an der Erstellung des für unsere Universität so wichtigen Dokumentes mitarbeiten zu dürfen. Der jetzt vorgelegte Entwurf eignet sich in vielen Passagen gut als „Richtschnur“ für die weitere Entwicklung und Positionierung unserer Universität. Im Einzelnen schlagen wir zum vorliegenden Entwurf (übersandt am 21.6.2017) nachstehende Änderungen/Korrekturen/Ergänzungen vor:

Wissenschaft

Der Entwicklungsplan sollte aus unserer Sicht auch die folgenden zukunftsbestimmenden bzw. - weisenden Themen und damit zusammenhängende Strategien beinhalten:

  • Gehaltsproblematik (Klinik vs. Vorklinik; MitarbeiterInnen mit EV vs. bereits erfüllte QV "alt")
  • generelle Schaffung von Incentives für erfolgreiche Drittmitteleinwerbungen
  • einen leistungsorientierten und nachwuchsfördernden Zugang zu den Professuren nach §99 UG

Auf Seite 12 wird die "Rekrutierung von potentiellen ERC/ START-PreisträgerInnen sowie offene Ausschreibung von Stellen im Rahmen von § 99 UG ("High Potentials" für ERC- Grants)" erwähnt. Auch in diesem Zusammenhang schlagen wir die Etablierung eines – in der TaskForce für Nachwuchsförderung bereits diskutierten und positiv aufgenommenen – Mechanismus vor, welcher erfolgreiche EinwerberInnen (EU-Grants, Doppler-Labor etc.) potentiell mit einer Professur nach §99 würdigt. Eine Auswahl möglicher Leistungen bieten die Seiten 29/30 des Entwicklungsplans.
Die Etablierung eines solchen Modells würde ein klares und positives Zeichen an die hervorragenden LeistungsträgerInnen der MedUni Wien darstellen, und wäre auch inhaltlich sinnvoller als die prioritäre Widmung von Stellen nach § 99 Abs. 4 UG nur zur Stärkung der Forschungscluster, da letztere auch durch externe Berufungen erfolgen kann. Auch müssen die Zentren gestärkt werden, sowie im Interesse der angestrebten Nachwuchsförderung die Größe der Bereiche / OEs berücksichtigt werden.

Lehre

Wir ersuchen um Konkretisierung und Vervollständigung der im Bereich der Lehre angeführten Absichten und Planungen und halten eine Aufnahme der folgenden Punkte mit einem konkreten Umsetzungszeitpunkt in den EP für unabdingbar – dies umso mehr als es sich dabei großteils (auch) um quasi-idente Empfehlungen aktueller wie auch vorangegangener Akkreditierungsprozesse handelt und sich die Frage der grundsätzlichen Umsetzbarkeit damit nicht mehr stellen sollte:

  • notwendige Erweiterung der Prüfungsformen bzw. Fragenformate
  • Etablierung standardisierter Verfahren für die Qualitätssicherung im Bereich des immanenten Prüfungscharakters (vgl. auch PPA2 Oktober 2010)
  • Durchführung von Outcome-Evaluationen (s.u.)
  • Reform des Evaluationswesens mit Fokus auf Evaluierung des Curriculums und Erreichen der Lern- und Ausbildungsziele sowie Maßnahmen zur Erhöhung der Rücklaufquoten (u.a. Verringerung der Fragenanzahl)
  • den Ausbildungszielen angemessene, valide und tatsächlich summative Überprüfung der Erreichung der Kompetenzziele im Rahmen der "Return Week"
  • höherer Stellenwert der Lehre in Hinblick auf eine universitäre Karriere
  • zentral erfolgende Finanzierung von Geräten und Verbrauchsmaterialien in den Praktika
  • klare Einbindung der Curriculumkoordinatoren in ein Organisationskonzept
  • Attraktivierung der Lehre
    • durchgängige Remunerierung der Lehre(nden)
    • Etablierung von Qualitätsindikatoren für Lehre
    • Modifikation im Bereich der LOM Lehre (siehe dazu u.a. auch Pilotprojekt Akkreditierung 2009)
    • Finanzierung innovativer Lehrprojekte

Aussagen zur "hohen Outcome-Qualität der modernen Curricula" (Seite 10) sind in Ermangelung der Durchführung von Outcome-Evaluationen nicht belegbar und sollten daher vermieden werden. Das (erfreulich gute) Abschneiden von 5 ausgewählten Studierenden beim Paul Ehrlich Contest kann valide, evidenzbasierte Indikatoren für die Qualität der studentischen Ausbildung nicht ersetzen. Auch Ergebnisse des PTM wären hier als Alternativmöglichkeit zu nennen, können jedoch die (wiederholt geforderte) Durchführung einer Outcome-Evaluation nicht ersetzen.
Vorhersagen zur künftigen AbsolventInnenquote (Seite 34) sind unangemessen und zu streichen, auch Aussagen zu den AbsolventInnenzahlen (Seite 34) lassen sich durch die in Abbildung 12 angeführten Daten nicht unterstützen.
Die aktuellen und zukünftigen Aufgaben im Bereich der Lehre verlangen nach zumindest zwei (international zu besetzenden) Professuren. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die inselartige Schaffung/Existenz von "Lehr-Professuren", welche in die Lehre entweder überhaupt nicht eingebunden sind oder nicht die Funktion ausüben, welche ihnen im Rahmen der Ausschreibung zugedacht war, nicht zielführend ist. Insofern sollte vor Ausschreibung dieser Professuren ein auch mit den relevanten Fachgremien (Senat, Curriculumkommissionen) akkordiertes Gesamtkonzept mit klar formulierten strategischen Zielen erstellt werden, welches auch die Frage der Einbindung dieser Professuren in Leitung und Strukturierung des Teaching Centers beinhaltet.
In Zusammenhang mit der seit Jahren überfälligen Etablierung von Karrieremodellen im Bereich der Lehre müssen wir darauf verweisen, dass sich diese Absichtserklärung bereits in den Entwicklungsplänen aus den Jahren 2012 und 2015 findet. Diese Modelle sind nach wie vor nicht umgesetzt. Sollte das im Entwurf des Entwicklungsplans genannte Ziel zur Etablierung solcher Modelle tatsächlich angestrebt werden, ersuchen wir um Aufnahme eines konkreten (und kurzfristigen) Umsetzungstermins, andernfalls um Klarstellung, dass es in diesem Bereich keine Karrieremöglichkeit geben soll/wird.
Die im Entwicklungsplan ohne weitere Ausführungen genannte "Weiterentwicklung des KPJ" (Seite 12 und 36) sollte konkretisiert werden: Qualitätssicherungsmaßnahmen im Bereich der Lehrabteilungen sollten verstärkt werden und im Rahmen dessen auch vermehrt Site Visits durchgeführt werden. Lehrabteilungen, welche keine adäquate Ausbildungsqualität gewährleisten, muss der Status als Lehrabteilung entzogen werden. Die Lernerfolgsdokumentation im KPJ (Logbuch und Portfolio) muss in ihrer Handhabung für Lehrende und Studierende vereinfacht werden. Weiters sollte die Flexibilität bei der individuellen Gestaltung des KPJ für Studierende gestärkt werden, da sich zu starre Vorgaben bzgl. örtlicher und zeitlicher Gestaltung der KPJ-Tertiale als nicht zweckmäßig erwiesen haben.
Zu den Ausführungen zu Studienzeitverzögerungen und Mobilität (Seite 38) ist anzumerken, dass es im Studium der Zahnmedizin weder national noch international eine Möglichkeit zur freien Mobilität gibt, hier kommt es auch zu Wartezeiten im Studium. Auch das Fehlen von Erasmus-Plätzen im englischsprachigen Raum ist hier kritisch anzumerken.
Aufgrund der aktuellen Situation im 5. Studienjahr sollte angedacht werden, hier analog zu den bestehenden Regeln für Freemover auch national freie Mobilität zu ermöglichen, da Studierende aufgrund der zunehmend beschränkten Platzzahl in Wien vermehrt in die Peripherie (Tulln, Mödling, Korneuburg, Mistelbach, Horn) gezwungen werden. Eine enorme Verbesserung der Ausbildung im Zahnmedizinstudium wäre durch die Möglichkeit gegeben, einige Teile des 72-Wochenpraktikums im niedergelassen Bereich – und damit innerhalb des künftigen Arbeitsumfelds - zu absolvieren. Eine gerechte Bezahlung der Studierenden im 72-Wochenpraktikum ist anzustreben, da die soziale Chancengleichheit zur Absolvierung des Zahnmedizinstudiums derzeit nicht gegebenen ist: bei knapp 50 Wochenarbeitsstunden ist eine Beschäftigung zur Lebenserhaltung neben dem Studium nicht möglich. Die durch eine fehlende Aufwandsentschädigung bestehenden Probleme der Studierenden umfassen auch fehlende Pausenregelungen, fehlende Krankenversicherung und fehlende Überstundenregelung.

Gesellschaftliche Zielsetzungen

Als konkrete Maßnahme soll eine dringend benötigte Ausweitung der so wichtigen Kinderbetreuungsplätze im erfolgreichen Martha Wolf Kindergarten im Entwicklungsplan festgehalten werden.
Bei der auf Seite 43 angeführten Gleichstellungsstrategie der MedUni Wien scheinen die drei vorgesehen Ansatz-Punkte unzureichend definiert und v.a. auch wenig aussichtsreich:

  • Mentoring Programm: hier fehlen tatsächliche, nennbare und quantifizierbare Ziele (das Mentoring-Programm läuft schon seit längerer Zeit - was waren die pragmatischen Auswirkungen in Bezug auf Frauen-Karrieren an der MedUni Wien?)
  • was konkret bedeutet „kontinuierliches Monitoring“: wir ersuchen um Definition und Nennung der geplanten Eingriffe
  • unbeschadet der Wichtigkeit von Gender Medicine scheint diese für die Förderung von Frauen- Karrieren und Gleichstellung weniger bedeutsam

Gewünscht wäre eine klarere Definition der vorgeschlagenen Strategien mit konkreten Zielsetzungen (Milestones). Ein Vorschlag wäre, die Verantwortlichkeit der Erhöhung der Frauenquote auf Professorenebene auf die einzelnen OEs übertragen, welche in weiterer Folge definierte Richtlinien und realistische (Zwischen)-Ziele zur Erhöhung des Anteils weiblicher Professoren (als Voraussetzung für Besetzungen?) vorzuweisen haben. Es scheint zwischen den einzelnen OEs ein großes Ungleichgewicht in Bezug auf den prozentuellen Anteil weiblicher Professoren zu geben.
Zusätzlich sollten weitere Mechanismen zur „bottom-up“ Beseitigung der Unterrepräsentation von Frauen entwickelt und benannt werden, welche zur Förderung des weiblichen, wissenschaftlichen Nachwuchses beitragen sollen. Die in Berufungsverfahren immer wieder gegebene Situation, dass (tatsächlich) keine ausreichend qualifizierten weiblichen Kandidaten zur Wahl stehen, spiegelt letztlich die Ungleichheiten der Karriere-Entwicklung von weiblichen Wissenschafterinnen wider. Es gäbe einfach zu implementierende Veränderungen in universitären Prozessen, welche zur Beseitigung einiger in diesem Zusammenhang relevanter Benachteiligungen führen könnten. Hierzu könnte u.a. ein – auch im Frauenförderungsplan gefordertes – ausgewogenes Geschlechterverhältnis bei der Auswahl von GutachterInnen sowie der Zusammensetzung von Prüfungs- bzw. Evaluationskommittees beitragen.
Bei der Darstellung der "Leaky Pipeline" (Abb. 14 auf Seite 42) sollten jedenfalls (auch) die absoluten Zahlen angeführt werden, auf welche sich die Prozentdarstellungen beziehen. Die in diesem Diagramm vorgenommenen Kategorisierungen sollten konkretisiert werden (beinhaltet die Kategorie der ProfessorInnen auch die habilitierten MitarbeiterInnen? analog: Kategorie "Drittmittel" vs. "nicht habilitierte MitarbeiterInnen"). Die gewählte Darstellung als Liniendiagramm ist für den darzustellenden Sachverhalt ungeeignet.