Viel wurde in der letzten Zeit von den Karrieremöglichkeiten des universitären Mittelbaus gesprochen – anlässlich der Novellierung des Universitätsgesetzes, anlässlich (diverser) politischer Interventionen, anlässlich geplanter Adaptierungen des universitären Karrieremodells und (im Rahmen dessen) der Qualifizierungsvereinbarung.
Nun - „Karriere“ klingt gut. Der Begriff Karrieremodell klingt noch besser, suggeriert er doch nicht nur eine Perspektive für den beruflichen Aufstieg, sondern in diesem Zusammenhang sogar eine planbare Komponente, die eventuell sogar nach objektiven Gesichtspunkten zu erreichen ist. Qualifizierungsvereinbarungen (QV) stellen ein zentrales Element des universitären Karrieremodells dar – die hierin abgebildete Nutzen für den einzelnen Mitarbeiter: ein unbefristeter (nicht unkündbarer) Vertrag, ein erhöhtes Gehalt sowie ein Titel (den man in gleicher Form im niederösterreichischen Umland allerdings gänzlich leistungslos bekommt, aber das ist eine andere Geschichte).
Nichts jedoch ändert eine erfüllte QV in Bezug auf dienstliche Aufgaben bzw. Dienstpflichten des Mitarbeiters, der Nutzen für die Universität ist leicht ersichtlich: die Attraktivität des universitären Standorts für kompetente MitarbeiterInnen wird gesteigert, wertvolles Wissen soll/kann an der Universität gehalten werden. Warum also will man vom bestehenden System abrücken und wohin geht die Reise? Wir analysieren die aktuelle Situation.

Das Grundproblem

Um die gegenwärtige Situation und die damit verbundenen Diskussionen verstehen zu können, muss man sich das (nicht nur) an heimischen Universitäten über die Jahrzehnte entstandene (und sorgsam gepflegte) System bewusst machen. Ein zunehmend auto- und amikratisches System, das sich in den wenigen verbliebenen „Kollegialorganen“ das Mäntelchen der Demokratie umzuhängen versucht indem es demokratischen PRINZIPIEN folgt – jedoch unter explizitem Ausschluss des Anspruchs auf tatsächliche universitäre Mitbestimmung des Mittelbaus. Des Mittelbaus, der den zahlenmäßig weitaus größten Anteil aller UniversitätsmitarbeiterInnen ausmacht, der für die viel zitierte „Exzellenz“ dieser Universität verantwortlich zeichnet – und beispielsweise im Senat als einem der drei universitären Leitorgane über gerade einmal 6 von 26 (!) Stimmen verfügt (13 Professoren, 6 Studierende, 1 Allgemeines Personal).

Interessenskonflikte

Das Interesse des Mittelbaus in Zusammenhang mit QV und Karrieremodell ist klar, aber welche weiteren Interessen spielen in diese Thematik und die damit verbundenen Diskussionen hinein? Wenn es unbestrittenes universitäres Interesse ist, den hoch qualifizierten Mittelbau an der Universität zu halten und sich die Vergabe von QVs ohnehin zwangsweise an der finanziellen Bedeckbarkeit orientieren muss… sollten doch alle das gleiche Interesse haben?
So einfach ist es leider nicht. Eine Qualifizierungsvereinbarung ist ein universitäres Instrument mit den Schwerpunkten auf Forschung und Lehre. Um was geht es jedoch in den inneruniversitären Schrebergärten? Um Geld, Macht und Geld. Für beides braucht man zwar (und sei es nur für das Ausleben der Macht) den Mittelbau, aber Mitbestimmung allenfalls soweit, als es die eigene Machtposition nicht gefährden könnte.

Verschärfung des Problems

Eine Verschärfung des Problems kommt paradoxer Weise aus dem Versuch eines Aufbrechens dieses universitären Apartheidsystems – in Richtung eines Faculty-Modells, einer gemeinsamen Kurie aller UniversitätslehrerInnen.
Ein solcher Ansatz fand sich schon unter Ministerin Gehrer im Koalitionsübereinkommen – umgesetzt wurde er dank massiver Proteste aus der Professorenschaft jedoch nie. Vorgeschobene Argumente gegen ein solches Faculty-Modell: die notwendige Qualität wäre in dieser „neuen“ Faculty dann nicht mehr gegeben, der universitäre (und in Folge wohl auch Welt-) Untergang damit unausweichlich.
Und genau hier (am Faculty-Modell, nicht am Weltuntergang) setzt die Novelle des Universitätsgesetzes an und schafft damit ein paradoxes Problem:
In einer (wiederum: dank professoraler Proteste) stark abgespeckten Version des Faculty-Gedankens soll für alle künftigen (ab Oktober) Qualifizierungsvereinbarungen gelten, dass MitarbeiterInnen mit einer erfüllten QV der Professorenkurie angehören. Das wird zwar vom Ministerium als ultimative Karriereperspektive des Mittelbaus verkauft, allein: für die betroffenen MitarbeiterInnen würde sich im realen Leben rein gar nichts ändern. Verglichen mit dem status quo (aktuelle QV-Richtlinien) würde sich weder Aufgabenbereich, Gehalt, Dienstpflichten noch Titel ändern.
ABER: durch die organisationsrechtliche Zugehörigkeit zur Professorenkurie wären diese eben-nicht-Professoren plötzlich innerhalb der Professorenkurie wahlberechtigt. Abzusehende Konsequenz: Gefährdung der dort über Jahre sorgsam etablierten und wohlgepflegten Mehrheitsverhältnisse, damit Auswirkungen auf die Zusammensetzung der wenigen verbliebenen Kollegialorgane und damit (der Senat wählt den UniRat, dieser den Rektor) ein entscheidender Machtverlust. Ganz zu schweigen von den sich damit ebenfalls ändernden Mehrheitsverhältnissen in Bezug auf die Wahl des OEL – und damit haben wir den Kreis zu Geld, Macht und Geld elegant geschlossen.

Konsequenz

Aus der geschilderten Situation ist klar: eine Umsetzung der gesetzlich vorgesehenen QV (also QV neu ab Oktober) wird es in einem nennenswerten Ausmaß nicht geben.
Siegen professorale Machtspielchen über das universitäre Wohl? Ja, denn das Verständnis für bzw. die Identifikation mit universitären Interessen und Notwendigkeiten ist in der Professorenkurie über weite Strecken nicht gegeben.
Da man aber den Mittelbau dann doch zur Beackerung der eigenen Schrebergärten braucht und tatsächlich niemandem mit einer großflächigen Abwanderung des Mittelbaus gedient ist (was einen sehr schwachen Grundkonsens darstellt), sucht man in Umgehung der eigentlichen gesetzlichen Intention nach „Ersatzprodukten“ – also der Möglichkeit, länger- bis unbefristete Verträge und wertlose Titel an Mitglieder des Mittelbaus zu vergeben OHNE dass diese in der Professorenkurie landen.
Da es die „große“ Lösung ja dummerweise gesetzlich gibt, wird das wohl auch ein willkommener Anlass sein um die Gehaltsstrukturen innerhalb dieser „Karrieremodelle“ zu überdenken und „anzupassen“. Zu befürchten ist jedenfalls ein sich weiter verstärkenden Abgang hoch qualifizierter MitarbeiterInnen von der Universität.

PS: streng genommen beschreibt der Begriff „Karriere“ ja eigentlich lediglich den beruflichen Weg – unabhängig davon ob sich dieser als Auf- oder als Abstieg darstellt.