Die öffentlich wahrnehmbare Stimmung zur Gründung einer weiteren öffentlichen medizinischen Universität in Linz (egal ob als Fakultät oder tatsächlich als eigenständige Universität) ist – um es vorsichtig auszudrücken – eher ablehnend. Die MedUni Wien (hauptsächlich in Person ihres Rektors) gehört hier zu den lautesten Kritikern, ungeachtet der Tatsache dass man gleichzeitig als öffentliche Universität die Gründung einer medizinischen Privatuniversität in Krems nicht nur unterstützt, sondern sich an einem solchen Projekt auch finanziell beteiligt – und dabei den Rahmen der Legalität arg strapaziert..

Also: Linz ist böse, Krems ist gut – warum eigentlich? Aus Sicht des Mittelbaus wären es ja durchaus attraktive Perspektiven und Alternativen die sich hier auftun könnten. Wir leuchten ein wenig hinter die Linzer Kulissen und geben die Stellungnahme der Senatsvorsitzenden der heimischen Universitäten zum "Projekt Linz" im Wortlaut wieder.

vorgebrachte Gründe gegen eine weitere MedUni

Die am häufigsten genannten Gründe gegen eine weitere öffentliche medizinische Universität/Fakultät:

  • Kein Bedarf an zusätzlichen Ärzten, nötig wäre allenfalls eine „Umverteilung“ in ländliche Gebiete
  • Zusätzliche Kosten, die letztlich von den bestehenden Universitäten zu tragen wären
  • Gefahr für die derzeit praktizierte „Medizin-Quote“ für Österreicher/EU-Inländer/EU-Ausländer durch zusätzliche Ausbildungsplätze, da die Quote über die heimische ärztliche Versorgung argumentiert wurde

Wie stichhaltig sind diese Argumente? Der (Nicht)Bedarf an zusätzlichen Ärzten ist Gegenstand endloser Diskussionen, bei denen sich gerade die Führungsgremien der medizinischen Unis bislang weitgehend zurückgehalten haben. Erhebungen, wie viele der deutschen Studierenden nach dem Ende ihrer Ausbildung wieder "zurück" gehen wollen lassen jedenfalls die Alarmglocken schrillen und auch die "Auslagerung" eines kompletten Studienjahrganges im Rahmen des Übergangjahres zum KPJ bei dem es gerade die besten unserer Studierenden ins Ausland zieht wird diese Situation nicht verbessern. Das zielt direkt auf die Argumentation mit der „Medizin-Quote“ und hier wäre einzig eine politisch aktivere Herangehensweise hilfreich. Das finanzielle Argument? Ist sicherlich stichhaltig denn niemand wird ernsthaft das Versprechen der Politik glauben, dass es mit der Gründung einer MedUni Linz (dauerhaft) mehr Geld für die Universitätslandschaft gibt und sich Linz solcherart selbst erhält. Allerdings sei hier die Frage erlaubt was denn eigentlich die Aufgabe und Daseinsberechtigung von Unis ist – wenn nicht die Ausbildung von Studierenden. Womit wir eigentlich wieder bei der Frage wären wie viele MedizinerInnen unser Land braucht und wie viele davon in Wien, Graz und Innsbruck ausgebildet werden können. Alle drei medizinischen Universitäten sehen sich ja am absoluten Limit ihrer Kapazitäten – wie es Graz da schaffen kann, die gesamte vorklinische Ausbildung der Linzer Studierenden zu übernehmen, wäre hier kritisch zu hinterfragen.

Situation in Linz

Johannes Keppler Universität (JKU) mit ihren Strukturen:

  • Derzeit mehr als 18.000 Studierende und 2500 MitarbeiterInnen.
  • Insgesamt werden derzeit an der JKU 59 Bachelor-, Master- und Doktoratsstudien an 118 Instituten angeboten.
  • Zusätzlich noch "Drittmittelinstitute" aber auch Kompetenzzentren wie z.B.:
    • Research Institute für Symbolic Computation (RISC)
    • Software Competence Center Hagenberg
    • Institut für Anwendungsorientierte Wissensverarbeitung (FAW)
    • Spezialforschungsbereich „Numerical and Symbolic Scientific Computing“
    • Austrian Competence Center in Mechatronics (ACCM)

derzeitiger Stand der "geplanten Uni-Kliniken": 877 Ärzte bereits am Fakultätsstandort

Geplante Uni-KlinikenBettenÄrztinnenKonsiliarärztInnen
Allgemeines Krankenhaus Linz (AKh) Träger Stadt Linz9784454
Landes Nervenklinik Wagner-Jauregg (LNK-WJ) Träger gespag67020927
Landes Frauen- und Kinderklinik (LFKK) Träger gespag2751128
Unfallkrankenhaus (UKH) Träger AUVA1555319
 207881958

Für die Medizinische Fakultät der JKU geplant:

  • 24 Lehrstühle (= Umwandlung bestehender Primariate) bis zum Vollausbau 2028
  • 110 Ärzte zusätzlich für Lehre und Forschung bei bereits 877 in den Spitälern für die Versorgung verfügbaren ÄrztInnen
  • 35 Sonstige Bedienstete für Lehre und Forschung
  • für die Vorklinik zusätzlich 27 ÄrztInnen mit einem Beginn des Ausbaus ab 2018 (eine Anatomie ist vorläufig nicht geplant, Sezierkurs wird von Graz zugekauft)
  • Ein Zentrum für medizinische Forschung und Lehre

Stellungnahme der Senatsvorsitzenden der österreichischen Universitäten

„Die Senatsvorsitzenden der österreichischen Universitäten können der Einrichtung einer medizinischen Fakultät an der Universität Linz nicht zustimmen, solange folgende Voraussetzungen nicht erfüllt sind:

  1. Es muss gesetzlich sichergestellt sein, dass ein ordentlicher Gründungsprozess stattfindet, der die an den österreichischen Universitäten bestehende hohe Qualität der medizinischen Forschung und Lehre auch an einer neuen medizinischen Fakultät garantiert. Die dafür geschaffenen Regelungen müssen das System des UG wahren. Die Berufung der Professorinnen und Professoren muss von Anfang an in einem ordentlichen Berufungsverfahren gemäß § 98 UG 2002 erfolgen.
  2. Es muss ein Finanzierungsplan für die nächsten 10 Jahre vorgelegt werden. Dieser muss auch nachvollziehbar begründen, dass sich die Finanzierung der neuen Medizinischen Fakultät nicht zu Lasten der Budgetierung der bestehenden Universitäten und ihrer weiteren Entwicklung auswirkt.

Die derzeit geplanten gesetzlichen Grundlagen (RV 2435 BlgNR, 24. GP) erfüllen diese Anforderungen in keiner Weise.“

Die Senatsvorsitzenden haben sich also nicht grundsätzlich gegen den Plan einer neuen Medizinfakultät in Linz ausgesprochen. Natürlich besteht die verständliche Sorge um die nachhaltige Finanzierung der neuen Fakultät und die Auswirkungen auf die Finanzierung der bestehenden Universitäten. Vor allem aber waren alle Teilnehmer der Konferenz in großer Sorge über die offensichtlich geplante Vorgehensweise bei der Errichtung dieser Fakultät. Dies vor allem wegen der Änderungen des UG 2002, die nach dem Begutachtungsverfahren noch in die Regierungsvorlage der „Fusionsnovelle“ (RV 2435 BlgNR XXIV. GP) aufgenommen und in der Zwischenzeit auch durch den Ausschuss geschleust wurden: insbesondere die zwei neuen Sätze in § 99 Abs 2 UG 2002, die offenbar die „Hebung“ von Primarii ohne ordentliches Berufungsverfahren und ohne Berufungskommissionen ermöglichen sollen, und die pauschale Übernahme von deren Abteilungen der öffentlichen Krankenhäuser mit dem gesamten Personal (siehe die geplanten neuen § 29 Abs 9 und § 123a UG 2002) an die Universität. Zwar wird dann nach fünf Jahren ein ordentliches Berufungsverfahren stattfinden müssen (zumindest wenn es bei der gegenwärtigen Rechtslage bleibt, vgl § 99 Abs 1 UG 2002), aber welcher faktische Druck zur „Berufung“ der bereits bestellten Primarii-Professoren mit ihren gesamten Krankenabteilungen und –stationen dann bestehen wird, kann man sich unschwer vorstellen.