Die MedUni Wien freut sich auf ihrer Homepage, für ihr internes Qualitätsmanagement ausgezeichnet worden zu sein, doch eine umfassende Analyse zeichnet hier doch ein deutlich differenzierteres – und ausgesprochen interessantes – Bild.
So erfolgte die Zertifizierung nur unter Auflagen; wenn die explizite Auflage an eine Akkreditierung zum QM-System lautet, nachzuweisen, dass es ein solches überhaupt gibt („Die Medizinische Universität Wien weist nach, wie die Ergebnisse ausgewählter Evaluationen … verwendet werden“) und eine Einbeziehung der "relevanten internen ... Interessensgruppen" (also auch des Mittelbaus) fordert, so sehen wir dies als gleichermaßen bemerkens- wie auch erwähnenswert an. Ebenso die folgenden Aussagen aus dem Gutachten (wörtliche Zitate):

  • Eine Strategie, wie man mit dem Qualitätsmanagement die Zielerreichung unterstützen möchte, ist allerdings nicht überall klar gegeben.
  • Eine starke Diskrepanz orten die Gutachter/innen zwischen der Wahrnehmung des Rektorats und der gelebten Realität…
  • Was fehlt, ist eine klare Strategie der Leitungsebene zur Förderung einer Qualitätskultur und zur systematischen Beteiligung der für die Medizinische Universität Wien relevanten Interessensgruppen
  • auf Leitungsebene spricht man von Qualitätsmanagement, welches jedoch vermischt ist mit einem allgemeinen Managementsystem und im Ausmaß (Breite und Tiefe) nicht exakt beschrieben ist
  • Der Vorsitzende des Senats tauscht sich in persönlichen Gesprächen mit dem Rektor aus (…) Den Gutachter/innen hat sich aber nicht erschlossen, wie die daraus gewonnenen Informationen in den gesamten Senat weitergetragen werden.
  • Zum Teil wurde auch der Eindruck gewonnen, dass sich Organisationseinheiten intern arrangiert haben, um den Status Quo zu erhalten

Entsprechend patzig fiel die Stellungnahme der MedUni Wien aus (im Unterschied zur MedUni Wien hat die AQA sämtliche Dokumente veröffentlicht).
Einige der von den GutachterInnen aufgeworfenen Punkte berühren auch langjährige Themen und Forderungen der AMM (Incentivierung der Drittmitteleinwerbung, Querfinanzierung der Krankenversorgung, Führen von Mitarbeitergesprächen, Aufteilung der LOM), auch die Schaffung von Anreizsystemen nicht primär zum Erreichen einer internen Laufbahnstelle sondern zum Erreichen einer international kompetitiven Qualifikation wird im Gutachten gefordert – wir zitieren aus den inhaltlich wichtigsten kritischen Punkten. Gut beurteilt wurde das QM im Bereich Finanzen, Personalentwicklung und teilweise auch Lehre (KPJ) - der kritische Punkt dürfte oft sein, dass Instrumente geschaffen wurden, welche jedoch teilweise nicht genutzt werden.

Die MedUni Wien hatte bei der AQA (Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung) die Zertifizierung für das interne Qualitätsmanagementsystem der MedUni Wien beantragt. Im Rahmen eines Audits (periodisch wiederkehrendes Peer-Verfahren) wurde Organisation und Umsetzung des internen Qualitätsmanagementsystems durch externe GutachterInnen (5 GutachterInnen aus Deutschland, Schweiz und Luxemburg) beurteilt. Im Jänner und April 2015 erfolgten vor-Ort Besuche, der Zertifizierungsentscheid wurde am 23. September gefasst - die Verleihung des Zertifikats erfolgte am 18. November. Die nachfolgenden 4 Themengebiete wurden im Rahmen des Audits herangezogen:

Die Hochschule hat Ziele definiert und verfügt über eine Strategie

(Standard 1: Die Hochschule hat Ziele definiert und verfügt über eine Strategie, welche systematisch durch Steuerungsinstrumente unterstützt wird.)

  • Auf Leitungsebene spricht man von Qualitätsmanagement, welches jedoch vermischt ist mit einem allgemeinen Managementsystem und im Ausmaß (Breite und Tiefe) nicht exakt beschrieben ist. In den Gesprächen mit der Leitung wurde nicht deutlich, ob ein, wie auch immer geartetes „total quality management system“ ein strategisches Ziel der Medizinischen Universität Wien ist.
  • Regelmäßige Rektoratssitzungen dienen dem Austausch innerhalb der Universitätsleitung, sind aber auch bei wichtigen Beschlüssen dem Eindruck der Gutachter/innen nach nicht immer mit formalen Rektoratsbeschlüssen verknüpft. Inwieweit solche Informationen den Mitarbeitenden auf einem informelleren Weg (eventuell im Intranet) weitergegeben werden, konnte nicht vollständig nachvollzogen werden.
  • In den Gesprächen hat sich verstärkt abgezeichnet, dass viele qualitätssichernde Maßnahmen von anderen Stabstellen oder Dienstleistungseinrichtungen (z.B. Stabstelle Personalentwicklung, Department für medizinische Aus- und Weiterbildung,…) durchgeführt werden, wobei unklar blieb, inwiefern diese in Bezug auf die Organisation des Qualitätsmanagements Beachtung finden bzw. in ihrer Einbettung und Aufgabenabgrenzung exakt umschrieben sind.
  • Der Vorsitzende des Senats tauscht sich in persönlichen Gesprächen mit dem Rektor aus und wird anlassbezogen zu den inhaltlichen Abstimmungssitzungen des Rektorats eingeladen. Den Gutachter/innen hat sich aber nicht erschlossen, wie die daraus gewonnen Informationen in den gesamten Senat weitergetragen werden.

Das QM-System unterstützt die Zielerreichung

(Standard 2: Das Qualitätsmanagementsystem unterstützt die Hochschule darin, ihre Ziele zu erreichen)

  • Die Leiter/innen der Organisationseinheiten sind zur Durchführung der Mitarbeitergespräche (MAG) verpflichtet und müssen dies im MedCampus dokumentieren. In den Gesprächen mit Mitarbeiter/innen wurde deutlich, dass die MAGs nicht in allen Bereichen in der notwendigen Breite umgesetzt werden. Die Gutachter/innengruppe sprach mit Mitarbeitenden, die im Laufe ihrer 5-jährigen Anstellung kein einziges MAG hatten.
  • Die Gutachter/innen haben den Eindruck gewonnen, dass das Qualitätsmanagement zwar Top-down vorgegeben wird, aber sehr stark dezentralisiert organisiert ist. Die Verlinkung zwischen zentralen QM-Vorgaben und dem umgesetzten Qualitätsmanagement in den unterschiedlichen Organisationseinheiten ist schwach. Das Rektorat gibt die strategische Richtung und die zentralen Vorgaben für die gesamte Universität vor, operativ werden QM- Maßnahmen in einzelnen Organisationseinheiten, DLEs und Stabstellen teilweise sehr gut umgesetzt. Der Grad dessen hängt jedoch stark von den einzelnen Leiter/innen der jeweiligen Einheit ab. Zum Teil wurde auch der Eindruck gewonnen, dass sich Organisationseinheiten intern arrangiert haben, um den Status Quo zu erhalten. Die breite Umsetzung kann schwer eingeschätzt werden, weil die Information aus dem Selbstevaluierungsbericht und den Gesprächen nicht konsistent waren.
  • Zudem hat sich bei den Gutachter/innen die Frage nicht geklärt, ob sich die Hochschulleitung, bzw. wer sich mit Problemen im Qualitätsmanagement oder bei dessen Umsetzung in den einzelnen Organisationseinheiten befasst.
  • Eine starke Diskrepanz orten die Gutachter/innen zwischen der Wahrnehmung des Rektorats und der gelebten Realität bei der Durchführung der Mitarbeiter/innengespräche.
  • Der Gutachter/innengruppe wurden die vorhandenen Dokumente zum Mitarbeiter/innengespräch vorgelegt. Leitfaden und Hilfetext umfassen alle wesentlichen Punkte des MAGs und definieren ganz klar die Zuständigkeiten und Prozessabläufe. Umso verwunderlicher war es, dass in den Gesprächen die durchführenden OELs nicht mit dem Prozedere vertraut waren. … Nachdem hier von Seiten der Universitätsleitung sehr klare Vorgaben vorliegen, geht die Gutachter/innengruppe davon aus, dass die unterschiedlichen Wissensstände auf eine mangelnde Kommunikation mit den entsprechenden Zielgruppen zurückzuführen sind.
  • Unklar blieb trotz der Gespräche, ob es belastbare Karrierepläne im Konflikt zwischen Forschung und Patientenversorgung gibt. Die Gutachter/innengruppe erachtet es als wichtig, dass hier belastbare Vereinbarungen getroffen werden, wie klinische und wissenschaftliche Qualifikationen des Nachwuchses aufgeteilt und quantifiziert werden. Dies ist insbesondere in Verbindung mit dem Konzept UniMed 2020 wichtig.
  • ..dass Drittmittel für die Forschung zur Querfinanzierung von Krankenversorgung in Form von In-Kind-Leistungen eingesetzt werden, wie z.B. PhD-Studierende, die verstärkt für die PatientInnenversorgung eingesetzt werden..
  • Die LOM-Mittel werden an die Organisationseinheiten nach einer transparenten Berechnung vergeben, allerdings ist die Beteiligung der Leistungsträger/innen, sprich des/der einzelnen Forschenden, nicht verbrieft und wird dadurch innerhalb der Medizinischen Universität Wien sehr unterschiedlich gehandhabt. Auch hier wurden vorbildliche Beispiele von Organisationseinheiten gezeigt, in denen z.B. die Zuteilung von Forschungsflächen leistungsbezogen erfolgt. Die Heterogenität in der Handhabung weist allerdings auf ein nicht durchgängiges Qualitätsmanagement in diesem Bereich hin.

QM nutzt Evaluierungsverfahren, Monitoring und Informationssysteme

(Standard 3: Das Qualitätsmanagementsystem nutzt Evaluierungsverfahren, Monitoring und Informationssysteme als integrale Bestandteile)

  • Was fehlt, ist zum einen die systematische Verwendung der Erkenntnisse und Ergebnisse (z.B. aus Evaluationen) für die Weiterentwicklung in den jeweiligen Bereichen,
  • So wurde z.B. in der Studienabschlussbefragung 2013/14 die fehlende Einsicht der Studierenden bei den Lehrveranstaltungsevaluierungen und das bestehende Prüfungssystem der SIP-Prüfungen moniert. Dieselben Punkte sind während der Vor-Ort-Besuche in unterschiedlichen Gesprächsrunden wieder zur Sprache gekommen. Dies führt die Gutachter/innengruppe zu dem Schluss, dass an diesen Punkten noch nicht aktiv genug gearbeitet wurde oder zumindest die Kommunikation an die Interessensgruppen fehlt, warum es hier zu keiner Veränderung oder auch Problemlösung gekommen ist.
  • Auch wird von Seiten der Universitätsleitung im Sinne einer Lern- und Fehlerkultur nicht hinterfragt, welche Instrumente im Rahmen des Qualitätsmanagements tatsächlich dabei unterstützen, die Zielerreichung zu überprüfen. Die Verknüpfung zwischen Ergebnissen aus Monitoringprozessen und strategischen Entscheidungen auf der obersten Entscheidungsebene bleibt offen. Das Monitoringsystem ist in dieser Hinsicht weiterzuentwickeln. Dafür ist zugleich die volle Erfüllung der Standards 1 und 2 Voraussetzung.

* QM sieht eine systematische Beteiligung unterschiedlicher Interessensgruppen vor

(Standard 4: Das Qualitätsmanagementsystem stützt sich auf die Qualitätskultur der Hochschule und sieht eine systematische Beteiligung unterschiedlicher Interessensgruppen vor)

  • Aus den Gesprächen während der Vor-Ort-Besuche wurde deutlich, die OELs eine zentrale Interessensgruppe und wesentliche Mediatoren/innen in der Umsetzung der strategischen Ziele der Universitätsleitung darstellen. Mit ihnen erfolgt der Austausch und Abgleich zu strategischen Zielsetzungen der Universität im Rahmen der Zielvereinbarungsgespräche. Nachgeordnete Mitarbeiter/innen, dh. die Interessensgruppe „Lehrende/Forschende“, treten als Gruppe für die Leitung nur wenig in Erscheinung, da diese bereits im Aufgabenbereich der OELs liegen. So gab in der letzten Mitarbeiter/innenbefragung mehr als ein Drittel des Personals an, nichts oder wenig über die Strategie der Medizinischen Universität Wien zu wissen.
  • Was fehlt, ist eine klare Strategie der Leitungsebene zur Förderung einer Qualitätskultur und zur systematischen Beteiligung der für die Medizinische Universität Wien relevanten Interessensgruppen sowie ein damit verbundener hochschulweiter Austausch über das Qualitätsverständnis an der Universität und in der universitären Krankenversorgung.
  • Die Chance und der Mehrwert, die mit einem systematischen Qualitätsmanagement verbunden sind, werden bislang weder auf Leitungsebene noch in den untergeordneten Bereichen voll gesehen. Es fehlt der „House of Quality“ Gedanke, in dem die unterschiedlichen dezentralen QM-Bestrebungen und Qualitätsverständnisse zentral zusammengeführt werden. Auch eine aktive Auseinandersetzung sowie ein systematischer Einbezug von unterschiedlichen Interessensgruppen durch die Hochschulleitung sind kaum ersichtlich. Insbesondere die Information und Kommunikation über studienrelevante Änderungen an die Studierenden und die Ergebniskommunikation bei qualitätssichernden Maßnahmen in der Lehre sind verbesserungswürdig.
AUFLAGE: Die Medizinische Universität Wien beschreibt, wie ihre relevanten internen und besonders auch externen Interessensgruppen systematisch am Qualitätsmanagement und dessen Weitentwicklung beteiligt werden, um eine Qualitätskultur zu fördern.