Heinrich Schmidinger, Präsident der Universitätenkonferenz, im Interview mit dem STANDARD über das Schweigen des Finanzministers und die Angst der Unis, Opfer der Hypo zu werden

STANDARD: Der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds hat eine Onlinepetition gestartet zum Thema "Österreich braucht Wissenschaft und Wissenschaft braucht öffentliche Finanzierung" (www.wissenschaft-ist-zukunft.at), weil es offenbar recht massive Hinweise gibt, dass das nächste Wissenschaftsbudget ein drastisches Sparbudget werden dürfte. Sie haben sie auch unterzeichnet. Wie schlimm steht es?

Heinrich Schmidinger: Genaues kann ich leider auch nicht sagen, und das ist schon Teil des Problems. Wir erhalten bis dato aus dem Finanzministerium überhaupt keine Auskünfte. Es gibt die Forderung des Wissenschaftsministers, das Budget für die Leistungsvereinbarungsperiode 2016 bis 2018 für den tertiären Sektor um 1,6 Milliarden Euro zu erhöhen, aber keine Rückmeldung des Finanzressorts - auch nicht die, dass es nicht geschehen wird.

STANDARD: Aber Sie erwarten ein hartes Budget für die Unis?

Schmidinger: Das liegt auf der Hand. Man weiß ja, was die Republik Österreich momentan zu stemmen hat und dass es höchstwahrscheinlich auch für den Wissenschaftssektor eng werden dürfte. Das wird natürlich gesagt, allerdings nicht offiziell.

STANDARD: Hatten Sie irgendwann Kontakt zu Finanzminister Michael Spindelegger, hat er sich die Lage der Unis einmal aus erster Hand angehört? Von dem sind Sie ja mindestens so abhängig wie vom Wissenschaftsminister.

Schmidinger: Ich hatte bis jetzt keinen Kontakt mit ihm, er war ja auch nachvollziehbar mit großen Problemen eingedeckt. Aber ich habe immer engen Kontakt mit Minister Mitterlehner, der wiederum im Finanzministerium vorgesprochen hat.

STANDARD: Warum haben die Universitäten nicht selbst etwas initiiert, um Druck auf die Regierung auszuüben? Man hat den Eindruck, vorauseilendes Wohlverhalten gilt noch immer als die eher angemessene Umgangsweise mit der Regierung, an deren Tropf man ja hängt. Das hat ja nachgerade fast feudalistisch anmutende Züge.

Schmidinger: Dieser Eindruck täuscht. Wir standen von Anfang an in enger Abstimmung mit Minister Mitterlehner. Wir haben den genauen Finanzbedarf errechnet, das Wissenschaftsministerium auch, und wir sind auf annähernd dieselben Zahlen gekommen. Dann haben wir vereinbart, dass der Minister diese Forderung dem Finanzministerium gegenüber erhebt. Niemand kann das, glaube ich, so wirkungsvoll tun wie er. Unabhängig davon begrüße und unterstütze ich natürlich die Initiative für die Petition. Ich glaube, dass sich beides gegenseitig ergänzt.

STANDARD: Haben Sie den Eindruck, dass sich der neue Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) voll für die Sache der Universitäten und die Forschung ins Zeug legt? Gerade angesichts der Anfangsvorbehalte, dass es kein eigenes Wissenschaftsministerium mehr gibt.

Schmidinger: Er ist enorm engagiert, für den ganzen tertiären Sektor. Und ich bin überzeugt, dass er es aus Überzeugung tut. Ich muss das wirklich anerkennen.

STANDARD: Was sagt es über ein Land, vor allem auch seine Scientific Community, wenn so eine Petition aufliegt, und dann unterschreiben in der ersten Woche nur knapp an die 32.000 Personen? Wir haben 300.000 Studierende, mehr als 100.000 Uni-Mitarbeiter plus die in außeruniversitären Forschungsinstituten. Wenn offenbar denen nicht einmal bewusst ist, warum Wissenschaft ausreichende Finanzierung braucht, warum soll es dann die Regierung wissen?

Schmidinger: So verdienstvoll und richtig diese Petition ist, man muss schon sehen: Es gibt dauernd Aufrufe, die Forschung, die Wissenschaft und ihre Institutionen ausreichend zu finanzieren. Dass nicht gleich auf den ersten Sprung mehrere Hundertausend Unterschriften gekommen sind, liegt meines Erachtens daran, dass die Information erst angelaufen ist. Ich bin überzeugt, es wird sehr viele Unterschriften geben.

STANDARD: Was wäre das Ziel, wo Sie sagen, das sollte die Scientific Community zustande bringen, wenn es nicht nur eine alibihafte Symbolaktion bleiben soll?

Schmidinger: Ich würde meinen, dass es an die 100.000 Unterschriften geben müsste.

STANDARD: Wie würden Sie als Präsident der Universitätenkonferenz einen Appell formulieren, warum man diese Wissenschaftspetition jetzt unterschreiben soll?

Schmidinger: Zunächst darf ich erinnern: Die genannten 1,6 Milliarden Euro sind natürlich viel Geld, vor allem in der jetzigen Situation, aber diese Summe entspricht ziemlich genau jener Summe, die aufgebracht werden muss, um das Zwei-Prozent-Ziel, also zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, für den Hochschulsektor bis 2020 zu erreichen. Es ist das, was sich die Bundesregierung vorgenommen und im aktuellen Regierungsprogramm erneut festgehalten hat. So wird hier also nichts gegen die Regierung gefordert, sondern dass sie einlöst, was sie selbst angekündigt hat. Im Übrigen handelt es sich bei den jetzt verkündeten 1,4 Milliarden Euro an Staatshilfe für die Hypo um jenen Zusatzbedarf, den die Uniko nur für die Universitäten ab 2016 errechnet hat.

STANDARD: Haben Sie Angst, dass die Unis und Forschungsinstitutionen quasi als Kollateralschaden der Hypo-Rettung drankommen?

Schmidinger: Ja. Es geht bei der Hypo-Abwicklung um eine enorme Summe. Die Geldmengen, die im Gespräch sind, entsprechen mehreren Leistungsvereinbarungen aller österreichischen Universitäten. Wenn ich da die Relation herstelle, habe ich natürlich Sorge, dass man auf die Unis zugreift. Dem möchte ich - bei aller Anerkennung der Schwierigkeit der Situation, in der sich der Staat aufgrund des Hypo-Debakels befindet - entgegnen. Die Devise für die nächsten Jahre kann nicht nur heißen: Jetzt sparen wir halt, damit wir diesen Schaden beheben. Es muss weiter an die Zukunft gedacht werden, Bildung, Wissenschaft und Forschung sind die wichtigste Zukunftsstrategie. Bildungspolitik ist auch die beste Sozial-, Wirtschafts-, Gesundheits- und Umweltpolitik usw. Das muss auch der Regierung bewusst sein.

STANDARD: Was, wenn nicht?

Schmidinger: Wenn man die Universitäten und Forschungseinrichtungen international positionieren will, kann man nicht gleichzeitig hingehen und sagen: Wir frieren eure Gelder ein, wenn diese gleichzeitig in anderen Ländern der Welt eindrucksvoll steigen. Damit hängen wir uns immer mehr ab. Sollten die Budgets jetzt eingefroren werden, müsste man so ehrlich sein zu sagen: Okay, wir sind damit bereit, Österreichs Universitäten für die nächsten Jahre aus dem Spiel zu nehmen.

STANDARD: Welche Krisensymptome beobachten Sie an den Universitäten? Gibt es bereits spürbare Fluchttendenzen junger Forscherinnen und Forscher?

Schmidinger: Ja, die gibt es. Ich glaube schon, dass Forscher und Forscherinnen, die vorankommen wollen, den Weg ins Ausland suchen. Leider kehren nicht genug wieder zurück. Insofern gibt es so etwas wie einen Verlust an geistigem Kapital in Österreich.

STANDARD: Was würde an den Unis konkret passieren, falls die 1,6 Milliarden Euro Minimum nicht kommen sollten?

Schmidinger: Ein großer Teil davon, 615 Millionen Euro, ist ja nur Inflationsabgeltung bzw. das Abfangen der Steigerung bei den Gehaltskosten, die Indexanpassung bei den Gebäuden usw. Wenn dieser Betrag nicht kommt, werden alle Universitäten ausnahmslos Reduktionsprogramme fahren müssen. Das wird man dort tun, wo sich am schnellsten ein Reduktionseffekt einstellt - beim Personal. Man wird Professuren vakant lassen müssen und weniger Leute anstellen. Und man wird weniger investieren können, das ist ganz klar.

(Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 24.3.2014)

Heinrich Schmidinger (60) studierte Philosophie und Theologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, ab 1993 Ordinarius für Christliche Philosophie an der Uni Salzburg, dort ab 1999 Vizerektor, seit 2001 Rektor und seit Oktober 2011 Präsident der Universitätenkonferenz (Uniko).

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