Nachfolgend die - ebenfalls in der Tageszeitung "Die Presse" erschienene - Replik von Rektor Müller auf den Gastkommentar des Chirurgen Johannes Miholic zum Thema "Hausberufungen".

Berufungsverfahren: Völlig inakzeptable Vorwürfe an Med-Uni

Med-Uni Wien muss sich wichtigeren Fragen widmen als alarmistischen Zurufen.

Der Chirurg Johannes Miholic sorgt sich in einem Gastkommentar in der „Presse“ (31. 10.) um angeblich geplante „Hausberufungen“ an seiner Alma Mater. Er zieht Vergleiche zur Geisteshaltung im Jahr 1938 und identifiziert das die Universitätsautonomie verankernde Universitätsgesetz (UG) 2002 als Grundübel. Das mag für kritische Beobachter der Med-Uni Wien und des AKH gut klingen, aber ist es auch wahr?
Begrüßenswert ist jedenfalls Miholics offensichtlich leidenschaftliches Engagement. Völlig zu Recht beklagt er die österreichische Verhaberung und Mir-san-mir-Mentalität. Möglicherweise hat er in seiner aktiven Zeit selbst unter dieser Form der unakademischen Geisteshaltung gelitten. Gibt ihm das aber das Recht, gegen eine 20 Jahre jüngere Generation medial zu agitieren, die nachweislich gegen die Folgen dieser Geisteshaltung und unakademischen Interventionspolitik ankämpft?
Völlig inakzeptabel ist Miholics Versuch, die derzeitige Berufungspolitik mit dem Jahr 1938 in Verbindung zu bringen. Der nicht näher konkretisierte Vorwurf von „Hausberufungen“ entbehrt jedenfalls jeder Grundlage. Alle rezent berufenen Professorinnen und Professoren haben lang an renommierten Institutionen im Ausland gearbeitet, die meisten sind keine österreichischen Staatsbürger, die Mehrzahl sind Frauen. Eine Berufung ohne relevante Auslandserfahrung ist daher an der Med-Uni Wien nicht mehr denkbar.
!!!Die „Minoritenplatzschleicher“ Gerade in der von Miholic anscheinend wieder herbeigesehnten Zeit vor dem UG 2002 hatten besonders lokal etablierte Personen mit politischen Kontakten – gelegentlich auch „Minoritenplatzschleicher“ genannt – gute Karten im Berufungskarussell. Möglicherweise verwechselt Miholic auch ein universitäres Berufungsverfahren für eine Professur mit einer Ernennung für eine klinische Leitungsfunktion. Tatsächlich erlaubt das UG, qualifizierte Mittelbauangehörige zu Leiterinnen oder Leitern klinischer Abteilungen zu bestellen.

Unter den Besten der Welt

Da die Med-Uni Wien aufgrund der bekannten budgetären Zwänge nicht – wie etwa die Harvard University – die Mittel besitzt, um jede einzelne klinische Abteilung mit einem international kompetitiven Berufungspaket auszustatten, sind Berufungen auf eine Professur mehr denn je ein Instrument universitärer Schwerpunktsetzung.
Im Gegensatz zu Miholics Darstellung ist die autonome Med-Uni Wien heute eine der wenigen international sichtbaren akademischen Institutionen Österreichs und in Forschungs-Rankings unter den besten Medical Schools der Welt. Besonders ihre vielen jungen und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erbringen einen großen Beitrag zur Forschungsleistung und Krankenversorgung Österreichs (im Herbst wurde zum Beispiel an der Med-Uni Wien/AKH im Gegensatz zu anderen Wiener Spitälern nicht gestreikt).
Die Med-Uni Wien hat derzeit auch wahrlich größere Herausforderungen zu bewältigen als alarmistische Gastkommentare eigener Alumni. Die Liste umfasst etwa die Folgen des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes, das Auslaufen der EU-Quote zum Medizinstudium, die baufällige Infrastruktur im vorklinischen Bereich, die Standortschwächung durch forschungsferne private Ausbildungsanbieter und der scharfe internationale Wettbewerb bei gleichzeitig erheblichen Budgetzwängen.
Zu diesen Themen wäre auch einmal ein öffentlicher Kommentar eines Alumnus hilfreich.

  • Markus Müller (* 1967) studierte Medizin an der Uni Wien und forschte auch in Schweden und in den USA. Er ist Professor für Innere Medizin und Klinische Pharmakologie und seit Oktober 2015 Rektor der Medizinischen Universität Wien.

Originalbeitrag in Die Presse