Nachfolgend ein Artikel aus der "Kleinen Zeitung" zum bemerkenswerten Umstand, dass an der UniKlinik Graz der Vorstand der HNO zurückgetreten ist - mit der Begründung dass die „Patientensicherheit vermindert wird“ und „medizinisch relevante Fehler“ zunehmen.

Es ist ein einmaliger Vorgang: Ein Klinikvorstand der MedUni tritt zurück und rechnet mit dem System ab. In einem zweiseitigen Schreiben bringt er zum Ausdruck, warum an seiner Klinikabteilung an der Uniklinik Graz die „Patientensicherheit vermindert wird“ und „medizinisch relevante Fehler“ zunehmen. Er deckt auf, wie sehr die Ärzte unter der aktuellen Situation leiden, und dass sich die Ärztekrankenstandstage auf seiner Klinik „verdoppelt haben“. Es geht um Nichtnachbesetzungen und viele Probleme – und es heißt, diese seien der Klinikleitung schon seit Jahren bekannt. Das sorgt für zusätzliche Brisanz. Der Klinikvorstand prophezeit im Schreiben außerdem, dass die aktuellen Umstände das System an seiner Klinikabteilung „endgültig zum Kippen bringen“. Und er wolle keine „Einlassungsfahrlässigkeit“ begehen – was für noch mehr Aufsehen sorgen wird. Denn das heißt: Bevor aufgrund von „unbefriedigenden und krankheitsfördernden Arbeitsbedingungen“ – wie das Arbeitsinspektorat feststellte – tatsächlich dramatische Fehler passieren, zeigt er die Missstände auf und tritt zurück. Um nicht für ein System die Haftung übernehmen zu müssen, das er nicht mehr verantworten kann.

Leistungsreduktionen?

Der Kleinen Zeitung liegt das Schreiben des als „besonnen und zurückhaltend“ bekannten Klinikchefs exklusiv vor. Sein Vorgehen ist außergewöhnlich, weil zuletzt viel über Probleme an der Uniklinik diskutiert wurde – aber niemand den Mut hatte, solche Konsequenzen daraus zu ziehen. Von Kollegen wird dem Klinikvorstand „Respekt“ dafür gezollt – er wollte zum Schreiben jedoch nicht Stellung nehmen.

Es ist längst bekannt, dass es an der Uniklinik gärt. Hintergrund sind strukturelle Probleme, die mit dem neuen Ärztearbeitszeitgesetz verschärft werden. Die Ärztearbeitszeit wird auf maximal 48 Stunden pro Woche reduziert. Im Klartext: Um wie bisher die gleiche Anzahl an Patienten an der Uniklinik zu behandeln, benötigt man an der größten und wichtigsten Klinik des Landes mehr Ärzte. Für die Kages-Landesbediensteten hat man eine Reihe von Lösungen (Gehalts-/Arbeits-/Karrieremodelle). Aber nicht für die ärztlichen Bundesbediensteten der MedUni. Drei Wochen vor Umsetzung des neuen Arbeitszeitgesetzes 2015 herrscht verzweifelte Ratlosigkeit. Dienstpläne etc. müssten erstellt werden, aber durch die MedUni steht die Planung.

Und die Nervosität steigt. Im Ernstfall könnte das bedeuten, dass in verschiedenen Klinikabteilungen der Betrieb – wie man ihn kennt – nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Sogar eine Leistungsreduktion an der Uniklinik wurde thematisiert.

Bestreiten und Bedauern

Das Schreiben des Klinikvorstandes war an MedUni-Rektor Josef Smolle und den ärztlichen Direktor des Klinikums, Gernot Brunner, gerichtet. MedUni-Rektor Josef Smolle sagt, dass man jetzt „im Detail die Arbeitsbelastung anschaue und die Arbeitsorganisation an der betroffenen Klinik hinterfrage“. „Ich glaube, es wird ein guter Weg möglich sein.“ Dass die Klinik 9 bis 15 Posten mehr brauche – wie aus Untersuchungen hervorgegangen sei –, bestreitet er. Und: „Wir können die Ressourcenfrage bei der Krankenversorgung nur gemeinsam mit dem Krankenanstaltenträger lösen.“ Gernot Brunner wollte nur schriftlich Stellung nehmen: „Die Direktion bedauert den Rücktritt des Klinikvorstandes außerordentlich und steht mit ihm in engem und gutem Kontakt. Es wurden von der Ärztlichen Direktion kürzlich auch 1,5 zusätzliche Kages-Dienstposten freigegeben. Auch einige Krankenstände haben die Situation an der Klinik verschärft.“

Warum der Klinikvorstand zurücktritt – Auszüge aus dem brisanten Schreiben an die Leitung der Uniklinik

„Diese Situation hat sich nicht von heute auf morgen ergeben, sondern prozesshaft über die letzten Jahre entwickelt. Ich habe auf diese leider vorhersehbare Entwicklung auch schon seit Jahren in zahllosen persönlichen Gesprächen und Schreiben mit Übermittlung der entsprechenden Daten und Unterlagen aufmerksam gemacht.“

„Das neue Arbeitszeitgesetz ist nicht Ursache der Probleme, sondern nur der letzte Anstoß, der ein bereits über die Grenze seiner Kompensationsfähigkeit hinaus belastetes System zum Kippen bringt. Da ich – trotz umfangreicher Optimierungs- und Reorganisationsmaßnahmen – die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten in Patientenversorgung, Lehre und Forschung nicht mehr garantieren und den Mitarbeitern keineadäquaten – zumindest nicht krankmachende – Arbeitsbedingungen zur Verfügung stellen kann, ist es mir nicht mehr möglich, die Verantwortung für die Klinik zu übernehmen.“

„Ein derart über jedes vernünftige Maß hinaus überlastetes System geht zwangsläufig mit einer erhöhten Fehleranfälligkeit und verminderten Patientensicherheit einher und es würde eine Einlassungsfahrlässigkeit meinerseits bedeuten, diese Situation unwidersprochen und ohne Konsequenzen hinzunehmen.“