Auf den Tag vor 2000 Jahren starb Roms erster Kaiser Augustus. Ein (im Nachfolgenden im Original wieder gegebener) geschichtlicher Rückblick in der Tageszeitung "Die Presse" offenbart so manchem in der Uni-Politik bewanderten eine Reihe interessanter Parallelen und Assoziationen.
In diesem Sinne einmal ein Beitrag der etwas anderen Art..

Vor 2000 Jahren starb Roms erster Kaiser Augustus, einer der erfolgreichsten Politiker der Geschichte. 45 Jahre lang herrschte der Adoptivsohn Caesars über das Imperium Romanum.

In Zeiten des politischen Irrsinns keimt die Hoffnung auf einen Heilsbringer. Einer möge kommen, der dem Chaos ein Ende bereitet. Keiner hat das im ersten Jahrhundert vor Christus poetischer dargestellt als der römische Dichter Vergil in einem seiner Hirtengedichte. Es sagt die Geburt eines Kindes voraus, das der Welt den ersehnten Frieden schenken und die Menschen in den ursprünglichen mythischen Zustand eines Goldenen Zeitalters zurückführen soll.

Das Geheimnis dieses Gedichts wurde bis heute nicht gelüftet. Die Christen sahen die Parallele zur Weihnachtsgeschichte im Lukasevangelium, Vergil wurde wie ein alttestamentarischer Prophet als Ankünder des Heilands gedeutet. Die Zeitgenossen hingegen teilten mit dem visionären Dichter die Verzweiflung über die Gewaltexzesse der römischen Bürgerkriegszeit und die Gewissheit, dass ein solcher Heilsbringer geboren werden müsse. So bereitete Vergils Ekloge das Feld für die Ideologie der Pax Augusta, des Goldenen Zeitalters von Frieden und Wohlstand.

Als das Gedicht geschrieben wurde – 40 vor Christus – war die Ermordung Caesars gerade vier Jahre her. Der charismatische Feldherr und Politiker hatte sich zum dictator auf Lebenszeit ernennen lassen und wurde von republikanisch gesinnten Mitgliedern der Adelsaristokratie erdolcht.

Bürgerkrieg um Rom

Doch an eine Wiederherstellung der Republik in den alten überkommenen Strukturen war nicht zu denken. Der Senat, die wichtigste Leitungsinstanz der Republik, fand nicht zu jenem inneren Konsens, der für ein kollektives Regieren nötig ist. Durch die ungeheure Ausdehnung des Reiches war die traditionelle Regierungsform mit zwei Konsuln nicht mehr möglich. Die wahre Macht ging auf die Militärkommandanten in den Provinzen über, die, mächtig durch den Rückhalt der Legionen, der Regierung in Rom ihren Willen aufzwingen konnten. Damit war die Tür zum Bürgerkrieg aufgestoßen.

Caesar hinterließ auch ein Testament, es rief Kopfschütteln hervor: Alleinerbe wurde sein erst achtzehnjähriger Adoptivsohn und Großneffe Gaius Octavius, ein politischer Anfänger, den man schon wegen seines Alters nicht ernst nehmen konnte. Doch der junge Mann trat das Erbe an, das verschaffte ihm Geld, Klientel, Soldaten, und er erwies sich bei der Verfolgung der Caesarmörder und der Niederwerfung des Konkurrenten Marcus Antonius als ein „würdiger“ Vertreter seines blutigen Jahrhunderts.

Trotz seiner Jugend handelte er mit einer Durchtriebenheit, Rücksichtslosigkeit und Brutalität, die Schaudern erregt. Mitglieder der alten Führungsschicht, die sich ihm in den Weg stellten, wurden umgebracht, manche republikanische Familie von altem Schlag wurde regelrecht ausgerottet. Gaius Octavius trat skrupellos Recht und Gesetz mit Füßen, bis er nach dem Sieg über Marcus Antonius 31 vor Christus den Machtkampf für sich entschied. Die nach dem Caesar-Mord aufgeworfene Frage, wer künftig das römische Reich beherrschen werde, war beantwortet. Damit war die fast hundertjährige Epoche der römischen Bürgerkriege zu Ende. Der Friede wurde auf Bergen von gefallenen Soldaten, den Leichnamen hunderter ermordeter Senatoren und auf den Trümmern der republikanischen Verfassung errichtet.

Wie man eine Autokratie errichtet

Es stellte sich die Frage, wie der Sieger seine Macht gebrauchen würde. Octavian hatte so gut wie jede republikanische Sitte, jede Regel und jedes Gesetz gebrochen. Seine Toga war blutbefleckt. Es galt nun, sie gegen eine blütenweiße einzutauschen. Zugleich musste er eine Herrschaftskonzeption entwickeln, die von der ehemaligen aristokratischen Führungsschicht der Republik akzeptiert wurde. Die Dolche, die Caesar ermordeten, hat Gaius Octavius nie vergessen. Eine skrupellose Monopolisierung aller Machtmittel war nicht durchsetzbar, er musste Kompromissbereitschaft zeigen, darauf achten, den Bezug zur republikanischen Vergangenheit mit ihren Traditionen und Werten aufrechtzuerhalten. Was nun folgte, war ein geniales Stück politischer Inszenierung, mit einem Hauch von Schmierentheater, ein Lehrstück, wie man eine Staatsform aushöhlt und schleichend durch ein autokratisches Regime ersetzt.

Es kam zu den entscheidenden Senatssitzungen am 13. und 16. Jänner 27 vor Christus. An diesen Tagen wurde die Republik zu Grabe getragen und das römische Kaisertum gegründet. Aber wirklich gemerkt haben das die wenigsten. Nur eine Minderheit politisch Denkender ahnte, dass hier eine neue Form der Monarchie begründet wurde. Der erste Mann im Reich, princeps genannt, gab seine bisherigen Machtbefugnisse ab, um sie gleich in anderer Form wieder anzunehmen: Zusätzlich zum Konsulat erhielt er das militärische Kommando für die Provinzen, die formale und zeitliche Begrenzung war eine republikanische Konzession, völlig bedeutungslos. Die Senatsaristokraten, schwankend zwischen Unterwürfigkeit und Resignation, mussten ihren Machtverlust hinnehmen und auch noch so tun, als habe er gar nicht stattgefunden.

Der neue De-Facto-Monarch hütete sich, allzu sehr auf seine Machtbefugnisse zu pochen. Eine prekäre Balance zwischen einem formal nicht übermächtigen Herrscher und einer seiner Entscheidungsfähigkeit weitgehend beraubten Senatorenschicht. In einer Art von Autosuggestion wurde an der Existenz republikanischer Strukturen und Mitspracherechte festgehalten, die eigentlich gar nicht mehr existierten.

Nach dem Gewinn der Alleinherrschaft zielte die Staatsideologie darauf ab, den princeps als Friedensbringer und Begründer eines neuen Zeitalters der Fülle herauszustellen. Man einigte sich darauf, den Anteil des Herrschers an der Ausrottung verdienstvoller Senatorenfamilien während der Zeit seiner Militärdespotie zu vergessen. Überhaupt wird die Friedens- und Wohlstandspropaganda des princeps, die jeden Anklang an die Bürgerkriege ausblendet, eine besondere ideologische Meisterleistung – und das alles ohne Massenmedien. Allmählich wichen die posttraumatischen Störungen als Folgen der Kriegserfahrung einer Empfindung von Frieden und Glück. Was man sich in früheren Zeiten nur als drückende Tyrannis hatte vorstellen können, die unbeschränkte Machtfülle eines Autokraten, wurde nun allgemein akzeptiert. Der Herrscher entrückte sich selbst immer mehr der menschlichen Sphäre. Er erhielt den bis dahin unüblichen Beinamen Augustus (der Erhabene), der die religiöse Überhöhung der Person langsam anbahnte. Als er zum pontifex maximus ernannt wurde, assoziierte man mit ihm gottgleiche Macht. Allmählich verbrannte zu Asche, was von der alten Ordnung noch übrig geblieben war.

Seine Nachfolger ließen den augusteischen Pragmatismus oft vermissen, doch die Zustimmung, die der erste Kaiser in seiner 45 Jahre währenden Herrschaft gefunden hatte, sicherte das Fortleben der monarchischen Verfassung.

Der Inbegriff des Herrschers

Es gibt kaum einen Herrscher der römischen Kaiserzeit, des Mittelalters und der frühen Neuzeit, der sich nicht in die Tradition des Augustus gestellt hätte. Von Karl dem Großen bis zu Friedrich II. wurde Augustus eine Projektions- und Legitimationsfigur, so schrieb er sich als Inbegriff des Herrschers schlechthin in die historische Erinnerung ein. Unter ihm kam der Glaube an einen in Bethlehem geborenen Erlöser in die Welt. Es traf sich, dass die Mittelmeerwelt unter Augustus zu diesem Zeitpunkt in einem Friedensreich vereinigt war. Aus christlicher Perspektive wurde dadurch die Verbreitung des neuen Glaubens ermöglicht und gefördert. Augustus hat seinen prominenten Platz im Weihnachtsevangelium zu Recht.

Originalbeitrag in: Die Presse