Am 3.12. trat Ingwald Strasser (AMM) mit folgender knappen Mail an die Mitglieder des Betriebsrats aus seiner Funktion als BR-Vorsitzender zurück:
Stil und Inhalt der Diskussion zum KA-AZG-Thema in der gestrigen BR-Sitzung lassen für mich keine weitere konstruktive Arbeit als Vorsitzender des Betriebsrates für das wissenschaftliche und künstlerische Personal an der Medizinischen Universität Wien zu. Ich lege daher diese Funktion mit sofortiger Wirkung zurück, bleibe aber weiterhin Betriebsrat.
Weitere Informationen blieben Mangelware, Ingwalds Zurückhaltung war konsequent – "die Sacharbeit muss ja weitergehen" wie er mir sagte.
Das muss sie zweifellos, gerade in konfliktträchtigen Zeiten wie diesen. Aber das steht nicht im Widerspruch dazu, die Zustände zu beleuchten, die zu Strassers Rücktritt geführt haben. Es bringt nichts, die Augen vor dem zu verschließen, was sich (teils) hinter den Kulissen des Betriebsrats abspielt. Und es darf in diesem Zusammenhang auch nicht unerwähnt bleiben, dass erst im Juni der damalige BR-Vorsitzende Perkmann zurückgetreten war…

Die Vorgeschichte

aus der Betriebsratswahl ging die Assistenteninitiative als stimmstärkste Fraktion hervor (was auch insofern wichtig ist, als bei Stimmengleichstand die mandatstärkste Fraktion "gewinnt". Die Aufteilung der 20 zu vegebenden Mandate lautete:

  • 8 Assistenteninitiative
  • 6 AMM
  • 4 GAKU
  • 2 Vereinigung aktiv

In einem engen Schulterschluss mit der "Vereinigung" (in der Ärztekammer gehören ja beide Listenführer derselben Fraktion an und es soll auch nicht unerwähnt bleiben dass mit Andreas & Widhalm zwei "Assistentenvertreter" bereits im vergangenen Betriebsrat saßen – allerdings für die Vereinigung) wurde exakt mit der sich aus dieser Konstellation ergebenden Mehrheit Vorsitz (Assistenteninitiative), 1. stv. Vorsitzender (Assistenteninitiative) und 2. stv. Vorsitzender (Vereinigung) gewählt.
Letztlich übernahm Thomas Perkmann (Assistenteninitiative) die Verantwortung, die Ärztekammer-Funktionäre Andreas und Birner wurden erster bzw. zweiter stv. Vorsitzender. Im Juni 2014 trat Thomas Perkmann zurück (interne Querschüsse aus den Reihen der Assitenteninitiative dürften da eine Rolle gespielt haben). Ingwald Strasser wurde zum neuen BR-Vorsitzenden gewählt, Martin Andreas blieb 1. Stellvertreter.

Gründe für Strassers Rücktritt

Zentrale Motivation für den Rücktritt von Ingwald Strasser als BR-Vorsitzendem war, dass in der allseits bekannten Causa „Novelle das KAA-AZG; Gehaltsforderungen vs. Opt-Out“ keinerlei Voraussetzungen für eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem 1. Stellvertreter, Martin Andreas, bestanden. Gemeinsam mit dem Rektor bzw. dem Ministerium ausgehandelte Inhalte wurden praktisch umgehend nach Verhandlungsende in Frage gestellt, der Drang des 1. Stellvertreters zur medialen Selbstdarstellung überwog Sacharbeit und politische Verlässlichkeit.
Anlass war dann, dass in der Betriebsratssitzung vom 2.12. der ausverhandelte Nachtrag zur Betriebsvereinbarung einerseits als ungenügend eingestuft und andrerseits Abänderungen und gleichzeitig Kampfmaßnahmen für eine Gehaltserhöhung per 1.1.2015 vorgeschlagen wurden. Die Reaktion des Ministeriums bezüglich der Gehaltserhöhungen wurde nicht mehr abgewartet.

Opt-Out

Während Ingwald Strasser (wofür er vielfach auch kritisiert wurde) keine strenge Linie gegen das "Opt-Out" vertrat, sondern mehrfach betonte, dass er die im KA-AZG vorgesehene individuelle Entscheidungsfreiheit des Einzelnen respektiere, stehen Martin Andreas und seine Gruppe geradezu symbolisch für das Konzept, nicht für 60 Wochenstunden Arbeitszeit zu optieren, um damit Druck auf Verhandlungen für höhere Ärztegehälter auszuüben. Dieses Nicht-Opt-Out wurde von vielen MitarbeiterInnen nicht unbedingt angestrebt - teils weil sie sachliche Bedenken hatten (befürchtete Einsparungen von Diensträdern, wenn die Räder nicht besetzt werden können), teils individuelle (Gehaltsverluste, Problem mit den Vorgesetzten).
- soweit alles im Bereich der normalen universitätspolitischen Arbeit.
Während Andres und Co allerdings intensiv an Eskalations-Szenarien durch möglichst flächendeckende Verweigerung des Opt-Outs interessiert waren und dies auch bei jeder nur möglichen Gelegenheit von den MitarbeiterInnen einforderten, stellte sich bald heraus, dass Martin Andreas seinerseits schon seine ureigenste Entscheidung getroffen hatte: er hat optiert – aber klammheimlich und dies erst nach längerem Nachfragen eingestanden.
Und dafür dann als drollige Begründung angegeben, dass er ja als Herzchirurg quasi unentbehrlich sei.

Die Neuwahl des BR-Vorsitz

Offenbar haben aber auch andere Fraktionen im Betriebsrat diesen lockeren Umgang mit Wahrheiten als nicht weiter bemerkenswert empfunden: Martin Andreas wurde von den Mandataren seiner Fraktion (nicht geschlossen!) und den Mandataren der Vereinigung (wie gesagt, nicht überraschend, da in der Ärztekammer beide Listenführer derselben Fraktion angehören) und der GAKU (allen voran der Ärztekammerpräsident Szekeres, Fraktion der Sozialdemokratischen Ärzte in der Ärztekammer) zum neuen Vorsitzenden gewählt. Die AMM stimmte dagegen.
Ob sich das so deuten lässt, dass der universitäre (!) Betriebsrat mehr und mehr zum Spielball von Kammerinteressen wird möge offen bleiben, das Argument einiger GAKU-Funktionäre, man möge Andreas einmal zeigen lassen was er kann, kann dem gerne gegenüber gestellt werden.

"Pressearbeit"

Dass in "heute" die Meldung über die Neuwahl des BR-Vorsitzenden schon vor der entsprechenden Aussendung an der MUW zu lesen war, kann man als Indiz für die Liebe des neuen Vorsitzenden zur Medienarbeit sehen. Dass am 16.12 ein Bericht im Kurier erschien über Verhandlungen des BR-Vorsitzenden im Ministerium (inklusive Wortmeldung von M. Andreas), während letzterer das Betriebsratsgremium erst danach über Inhalte und Ergebnisse dieses Termins informierte – das wird einer zukünftigen sachorientierten Arbeit wohl nicht förderlich sein…

Derzeitiger Stand

Der Vorsitzende Martin Andreas, hat offenbar sein Opt-Out wieder zurückgezogen. Die sachlichen Begründungen scheinen also nicht mehr zu gelten.

Der Verhandlungstermin im Ministerium vom 16.12. hat offenbar nur erbracht, dass man im Jänner weiter verhandeln wird.

Am 19.12. hat der Rektor dem Betriebsrat mitgeteilt, dass er den Vorschlag für den Zusatz zur Betriebsvereinbarung (Ergänzungszulage von € 400.- als Teil des Gehaltes 14x für alle Ärzte, nur mehr 25-Stunden-Modell, klare Roadmap, Arbeitsgruppen für Arbeitszeitensaldo, Forschungstage und Gehaltsmodell) zurückzieht. Als Begründung gibt er die trotz seines Angebotes fortdauernden Forderungen des Betriebsrates und der Wiener Ärztekammer nach Kampfmaßnahmen und gegen das Opt-Out an.

Da er vom Ministerium offenbar aufgefordert wurde, vor allem Jungärzte zu fördern, wird er prüfen, inwieweit er dieser Beschäftigtengruppe eine 10%iger Gehaltserhöhung per 1.1.2015 zukommen lassen kann.

Wie geht die Geschichte jetzt weiter?

Die Road Map bis 2021 muss neu geschrieben werden, man wird sehen, welchen Beitrag das Ministerium im Jänner leisten wird. Mit ein wenig mehr Geduld und weniger Hysterie wären wir vielleicht schon ein Stück weiter auf der „Road“ zu einem modernen Gehaltsmodell für Ärztinnen und Ärzte. Und dass die KA-AZG Novelle die von allen geforderte Arbeitszeitverkürzung bringt, ist ja mittlerweile völlig aus dem Blick geraten.